Die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen ist wichtig für die Schaffung nachhaltiger Friedensabkommen. Doch trotz ihrer entscheidenden Rolle werden Frauen oft von Verhandlungen ausgeschlossen. Dieser Text untersucht Herausforderungen und Chancen dieser Teilhabe, betont die Rolle der UN-Resolution 1325 und hebt die essenzielle Bedeutung von Geschlechtergerechtigkeit für weltweite Sicherheit und Frieden hervor.
Die Rolle von Frauen in Friedensprozessen
Frauen spielen als Mitglieder bewaffneter Milizen eine bedeutende Rolle in vielen Konfliktregionen der Welt, jedoch werden sie trotz einer Mitgliedschaft in diesen Gruppen von bis zu 40 Prozent in Friedensverhandlungen oft vernachlässigt (Cruz et al. 2022, S. 2). Eine aktive Einbeziehung von Frauen in Friedensprozessen erhöht nachweislich die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Abkommen, die für alle Beteiligten gleichermaßen vorteilhaft sind, und fördert die Schaffung eines langfristigen Friedens. Trotz dieser Erkenntnisse bleibt die Teilnahme von Frauen an Friedensverhandlungen weiterhin die Ausnahme (Krause et al. 2018; S. 985; 1005). Bei einer repräsentativen Stichprobe von 31 Friedensprozessen zwischen 1992 und 2011 waren lediglich vier Prozent der die Abkommen Unterzeichnenden und neun Prozent der Verhandelnden weiblich, rund 2,4 Prozent nahmen die Rolle einer Hauptvermittlerin ein und 3,7 Prozent waren Zeuginnen (UN Women 2012, S. 1-3).
Die Vernachlässigung von Geschlechtergerechtigkeit in Friedensprozessen schließt die Hälfte der Weltbevölkerung aus und ignoriert die geschlechtsspezifischen Ursachen und Auswirkungen von Krieg und Frieden. Die Einbeziehung von Frauen wird nicht nur aus empirischer Sicht als sinnvoll erachtet, sondern auch aus einer normativen Perspektive. So führen das Ausblenden von Geschlechtergerechtigkeit und die fehlende Repräsentation von Frauen zu einem Mangel an Gerechtigkeit, Demokratie und Sicherheit (Harders und Clasen 2011, S. 324). Dies ist besonders relevant mit Blick auf die Problematik von Gewalt gegen Frauen. Im Jahr 2018 waren weltweit schätzungsweise 30 Prozent der Frauen im Alter von 15 Jahren und älter mindestens einmal in ihrem Leben von körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch einen männlichen Intimpartner oder von sexueller Gewalt durch eine andere Person betroffen (WHO 2021, S. 16).
Die hohe Prävalenz geschlechtsspezifischer Gewalt verdeutlicht, dass Frauen auch in Zeiten des Friedens alltäglich Gewalt erfahren und dessen Einsatz während eines Konfliktes oft als legitimes Mittel angesehen wird (Clasen und Zwingel 2009, S. 146). Demnach ist geschlechtsspezifische Gewalt in Kriegszeiten eng mit der Gewalt verbunden, die auch in friedlichen Perioden auftritt und selten nach Beschluss eines Friedensabkommens verschwindet (Harders und Clasen 2011, S. 327). Eine verstärkte Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen wird daher nicht nur als eine Frage der Fairness und Wahrung von Rechten betrachtet, sondern auch als notwendig, um ihre Interessen zu sichern und nachhaltige politische Lösungen zu fördern (Suteu und Bell 2018, S. 2). Gerade aufgrund ihrer Gewalterfahrungen die empirische Begründung einer Gleichberechtigung der Geschlechter rechtfertigten eine stärkere Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen.
Internationaler Rahmen und Verpflichtungen
International ist anerkannt, dass Sicherheit eine geschlechtsspezifische Dimension hat, besonders in Bezug auf gewaltsame Konflikte bei denen Zivilist*innen, häufig gezielt durch männlich dominierte Gruppen, angegriffen werden. Die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ (WPS) und das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) dienen als wichtige Referenzen für Frauen in Verhandlungen über Sicherheit und Konflikte (Pospisil und Bell 2018, S. 2). Mittlerweile wurde auch die Beteiligung von Frauen an Friedensabkommen und Verfassungsentwicklungen als eine völkerrechtliche Verpflichtung durchgesetzt, unterstützt durch internationale Normen und Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der Generalversammlung zur Förderung der Geschlechtergleichstellung (Suteu und Bell 2018, S. 2; 3).
Die Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats wurde im Jahr 2000 verabschiedet und ist Teil der WPS-Agenda. Sie betont den Schutz von Frauen und Mädchen vor konfliktbedingter sexueller Gewalt sowie die gleichberechtigte Teilnahme in allen Phasen der Konfliktbeteiligung und –prävention. Dies war ein wichtiger Schritt, um die Rechte der Frauen und die Geschlechtergleichstellung in die Agenda für Frieden und Sicherheit einzubeziehen (Barnes und Olonisakin 2011, S. 3). Außerdem erkennt die Resolution nicht nur die entscheidende Rolle von Frauen in der Friedenskonsolidierung an, sondern unterstreicht auch deren Recht auf Partizipation. Somit hebt sie hervor, dass Sicherheit und Frieden unterschiedlich von Geschlechtern wahrgenommen werden und adressiert damit die historische Marginalisierung von Frauen und geschlechtsspezifischen Perspektiven (Barnes 2011, S. 19).
Die Bedeutung von Geschlechtergerechtigkeit für Frieden
Frauen als Friedensaktivistinnen haben eine lange Tradition, und die feministische Forschung betont einstimmig die unverzichtbare Rolle der Geschlechtergerechtigkeit für den Frieden und ihren wichtigen Beitrag zur Friedenssicherung (Harders und Clasen 2011, S. 329). Wenngleich viele wissenschaftliche Diskussionen die Gender-Aspekte oftmals übersehen, zeigen eine zunehmende Anzahl an Studien, dass durch die verstärkte Beteiligung von Frauen an Friedensverhandlungen der geschaffene Frieden wirksamer und nachhaltiger wird (Krause et al. 2018, S. 1007). Länder mit einem größeren Maß an Geschlechtergerechtigkeit und politischer Teilhabe von Frauen neigen dazu, langfristigeren Frieden zu erleben (Gizelis 2009, S. 521). Zudem zeigen Forschungsergebnisse zum Einfluss der Geschlechtergerechtigkeit auf den Frieden, dass sie nicht nur den Grad militärischer Gewalt und Verletzungen der persönlichen Integrität reduziert, sondern auch die Qualität und Langlebigkeit von Friedensabkommen beeinflusst (Caprioli 2000; Melander 2005; Krause et al. 2018).
Modalitäten der Einflussnahme von Frauen
Die direkte Einbeziehung von Frauen allein erhöht nicht zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit eines Friedensabkommens, hingegen gestaltet sich ihr Einfluss auf den Friedensprozess als entscheidend. Dabei leisten Frauen, sowohl einzeln als auch in Gruppen, einen wesentlichen Beitrag zu Verhandlungen und der Umsetzung von Vereinbarungen, wobei die Stärke ihres Einflusses positiv mit dem Zustandekommen und der Implementierung von Friedensabkommen korreliert. Zudem fördert die Einbeziehung von Frauen auch die Beeinflussung durch andere Akteure. Daher beruht die Partizipation von Frauen nicht nur auf ihrer Anzahl, sondern auch auf ihrer aktiven und wirksamen Teilnahme an den Friedensgesprächen.
Die Beteiligung von Frauen kann auf verschiedenen Wegen und in unterschiedlichen Phasen des Friedensprozesses erfolgen. Dafür lassen sich Modalitäten der Einbeziehung identifizieren, wobei direkte Repräsentation am Verhandlungstisch, Beobachterinnenstatus und Massenaktionen besonders effektive Ansatzpunkte für friedensfördernde Aktivitäten darstellen. Des Weiteren wird die Partizipation von Frauen durch Prozess- und Kontextfaktoren beeinflusst. Prozessfaktoren umfassen Auswirkungen auf die Fähigkeit von Frauen an Friedensprozessen teilzunehmen, wie Auswahlkriterien und Verfahren, Transferstrategien, Koalitionsbildung und Unterstützungsstrukturen. Zu den Kontextfaktoren zählen unter anderem Grad öffentlicher Akzeptanz, Präsenz starker Frauengruppen, Heterogenität weiblicher Identität, regionale und internationale Frauennetzwerke oder politische Einstellungen zu Geschlechterrollen. Insbesondere erfolgreich waren Frauen in Prozessen mit mehreren Interessensgruppen, wenn sie konkret und grundlegende Reformen forderten (Paffenholz et al. 2016, S. 5-10; 36).
Die Einbeziehung von Frauen in Friedensprozesse ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch entscheidend für einen wirksamen und langfristigen Frieden. Internationale Verpflichtungen wie die UN-Resolution 1325 betonen diese Notwendigkeit. Geschlechtergerechtigkeit und Frieden sind Schlüsselthemen in der Agenda 2030, die essenziell sind, um die SDGs zu erreichen und eine sichere, faire und nachhaltige Welt für alle zu schaffen.
Literatur:
Barnes, K. (2011): The evolution and implementation of UNSCR 1325. An overview. In: ‚F. Olonisakin, K. Barnes und E. Ikpe (Hg.): Women, Peace and Security. Translating policy into practice. London and New York: Routledge (Contemporary Security Studies), S. 15–33.
Barnes, K.; Olonisakin, ‚F. (2011): Introduction. In: ‚F. Olonisakin, K. Barnes und E. Ikpe (Hg.): Women, Peace and Security. Translating policy into practice. London and New York: Routledge (Contemporary Security Studies), S. 3–14.
Caprioli, M. (2000): Gendered Conflict. In: Journal of Peace Research 37 (1), S. 51–68.
Clasen, S.; Zwingel, S. (2009): Geschlechterverhältnisse und Gewalteskalation. In: M. Bussmann, A. Hasenclever und G. Schneider (Hg.): Identität, Institutionen und Ökonomie. Ursachen innenpolitischer Gewalt. 1. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften (Politische Vierteljahresschrift Sonderheft, 43), S. 128-149.
Cruz Almeida, C.; Dudouet, V.; Cochrane-Buchmüller, V. (2022): Gender-inclusive conflict transformation. Insights from female former combatants and women associated with resistance and liberation movements. In: Policy Insight Series (1).
Gizelis, T-I. (2009): Gender Empowerment and United Nations Peacebuilding. In: Journal of Peace Research 46 (4), S. 505–523.
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Krause, J.; Krause, W.; Bränfors, P. (2018): Women’s Participation in Peace Negotiations and the Durability of Peace. In: International Interactions 44 (6), S. 985–1016.
Melander, E. (2005): Political Gender Equality and State Human Rights Abuse. In: Journal of Peace Research 42 (2), S. 149–166.
Paffenholz, T.; Ross, N.; Dixon, S.; Schluchter, A.; True, J. (2016): Making Women Count – Not Just Counting Women. Assessing Women’s Inclusion and Influence on Peace Negotiations. Geneva: Inclusive Peace and Transition Institute and UN Women.
Pospisil, J.; Bell, C. (2018): ‚Securing‘ Peace. Women and Security Arrangements in Peace Processes. In: Gender Briefing Series.
Suteu, S.; Bell, C. (2018): Women, Constitution-Making and Peace Processes. In: Gender Briefing Series.
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World Health Organization (WHO) (2021): Violence against women prevalence estimates, 2018. Global, regional and national prevalence estimates for intimate partner violence against women and global and regional prevalence estimates for non-partner sexual violence against women. Geneva.